Ich hatte mich auf meiner Seite etwas rar gemacht: Warum?

Weil ich gemeinsam mit meiner Familie eine ukrainische Familie aufgenommen und betreut habe.

Wir haben dies mit voller Überzeugung und Hingabe getan. Die Familie, eine Mutter und zwei Mädchen (11 und 16 Jahre) hat bei uns im Haus im Dachgeschoss gewohnt und wir haben uns 10 Wochen lang in allen Bereichen des Lebens gut arrangiert. Es war auf einmal Leben in der Bude, aber sowas von, es wurde gekocht, gespült, gewaschen, geduscht was das Zeug hält. Eine große Umstellung. Wir persönlich haben sehr viel gegeben, alles geteilt, zurückgesteckt und nach bestem Wissen und Gewissen Unterstützung geboten, vor allem mit so vielen Behördengängen. Dabei lernten wir den Google Übersetzer als unseren neuen Freund kennen und es kamen manchmal komische Übersetzungen heraus was man spürbar am Gesicht des Gegenüber erkannte. Neu formulieren, Geduld finden und sich Zeit nehmen, dabei die  Ruhe bewahren war immer wieder angesagt. Sich aufteilen, wer macht was, geht welches Thema an und abends wurden alle Ergebnisse zusammentragen, wir freuten uns über Erfolge. Wir wollen etwas TUN, es anpacken zusätzlich zu dem Verfolgen der meist schlimmen Nachrichten. Machen, was wir im kleinen Rahmen leisten können. Wir haben gemeinsam gelacht und geweint, sind auf eine neue Kultur gestoßen, die auch manchmal ungewöhnlich für uns war, wahrscheinlich umgekehrt genauso. Wenn man so eng zusammen wohnt, dann spürt man dieses irgendwann. Auch der Krieg ist sehr nahe an uns herangetreten, hatten wir auch Bilder aus erster Hand direkt aus der Ukraine. Die Verarbeitung dessen war eine Herausforderung. Dankbar bin ich für die Hilfe eines lieben Pfarrers und auch Psychologen. Im Fokus steht für unsere Familie, dass wir als „Deutsche“ ein Zeichen setzen möchten, dass wir helfen wollen, Grenzen sowie Ängste überwinden, unsere Tür und damit unser Herz öffnen für „Fremde“ und Nächstenliebe zeigen. Wir glauben, dass das richtig ist und waren uns als Familie sofort einig, dass wir dieses Vorhaben einfach wagen. Wir wussten nicht, auf was wir uns da einlassen, haben einfach angefangen, Platz geschaffen, bisschen umgeräumt und dann unsere eigenen Erfahrungen mit der Familie, den Behörden, den Schulen und anderen Institutionen gesammelt. Wir kennen uns jetzt aus, haben viele Fachwörter dazu gelernt, und können ein ganzes Stück mitreden. Unsere Gastfamilie hat nun nach einem großen Kampf und viel Rennerei, fast Bettelei eine eigene kleine Wohnung, die wir mit der Unterstützung und Hilfsbereitschaft vieler lieber Menschen, die uns kennen, aber eben auch nicht kannten, eingerichtet haben. Wir haben dankbar gespürt, wie uns bis dahin Fremde auch ihr Herz für uns und unsere Gastfamilie geöffnet haben und einfach da sind und spenden, mit anpacken, auch zuhören. Das tut einfach nur gut. Zu wissen, es gibt sie da draußen und wir schauen nicht nur zu, wir gestalten mit im Rahmen unserer Möglichkeiten. Ob das immer alles richtig ist und war, wissen wir nicht, wir machen es so gut wir es können. Wir glauben, dass wir so viel gegeben haben, dass es sich richtig  anfühlt.  Wir sagen DANKE an alle, die uns wie auch immer unterstützt haben, ob monetär, mit Kleidung, Wäsche, mit Möbeln, sonstigem Zubehör, der Gestaltung von gemeinsamen Nachmittagen und mit DA SEIN.

Im Rahmen meiner Entspannungskurse kam in einer Gesprächsrunde heraus, dass wir Deutschen heute ein Zeichen setzen können, indem wir da wo es geht aktiv Hilfe anbieten können und somit ein Signal in die Welt geben können, dass wir da sind und helfen. Das hat mich nachdenklich gestimmt ohne dass ich die Deutsche Geschichte bewerten möchte. Bin ich doch auch auf einer christlichen Mädchenschule viel mit dem Dritten Reich, Hitler, dem Widerstand und auch Israel groß geworden. Ich war selbst in Israel als Kind und habe die bedrückte Stimmung im Yad Vashem in Jerusalem schon damals sehr gespürt. Immer diese unterdrückte Schuld, obwohl ich eine ganz andere Generation bin, gespürt habe ich sie sehr doll. Ich möchte heute wo ich es kann gerne mutig sein und Unterstützung anbieten, aber auch mehr als das, man öffnet sich und sein Herz. Das macht einen angreifbar, hier ist Achtsamkeit gefragt und das richtige Maß zu finden. Denn nicht alle finden das gut was wir tun, dessen sind wir uns heute – leider- bewusst. Wir wollen keine Lorbeeren, sondern einfach nur Hilfe bieten, da sein für Frauen und Kinder, die alleine und hilflos in einem völlig fremden Land sind, wo die Männer nicht mit dürfen. Stimmen haben uns gewarnt, dass wir das nicht schaffen, dass wir uns überfordern und dass wir bloß keine Fremden ins Haus lassen sollen. Auch Schweigen ist uns begegnet. Wir haben bewusst still weg gehört und unseren eigenen Weg gewählt, weil wir überzeugt sind und eigene Erfahrungen machen möchten und wollten. Sicher ist es einfach ein „Nein“ zu begründen als ein „Ja“ zu wählen und alle Hürden zu stemmen. Ein gewähltes Ja bedeutet aber auch, den Weg dann mit allen Konsequenzen zu gehen – ohne zu wissen was einem auf dem Weg begegnet. Somit können wir heute sagen, dass der Weg oft hinderlich war und Steine im Weg lagen. Wir sind stolz, dass wir es gemeinsam als Teamwork innerhalb der Familie geschafft haben, immer den Menschen, die Familie, die Schutz sucht im Fokus. Nur so konnte es auch funktionieren.

Wir haben Freunde gewonnen, die uns dankbar sind, dass wir für sie da sind. Wir haben neue Bekanntschaften gemacht, die wir sehr schätzen und unendlich dankbar sind. Das hat uns einfach Mut geschenkt und Kraft durchzuhalten! Unsere Hilfe ist nicht beendet, es gibt immer wieder neue Aufgaben. Die Gastfamilie wohnt in der Nähe. Das Leben ist in Bewegung, was wir hier besonders spüren. Waren wir dankbar für viele Themen, die wir abhaken konnten mit „erledigt und geschafft“, so wird in Deutschland immer wieder alles Mögliche geändert, so dass man gefühlt wieder von vorne anfangen muss. Und das können Menschen, die hier fremd sind, die Kultur und die ganzen Abläufe der Bürokratie nicht kennen, einfach nicht alleine stemmen. Fremd und verloren in einem anderen Land – so wären sie es. Wir geben ein bisschen Halt, Wärme und wir glauben auch Sicherheit. Wir schaffen Vertrauen und reichen die Hand immer wieder neu! Wir machen einfach das, was wir uns wünschen würden, wenn uns das passieren würde, wenn uns Deutschen der Krieg erklärt würde und wir woanders Fremd wären und Hilfe sowie Schutz suchten und von vorne anfangen müssten. Denn so ist, sind sie mit Hilfe meiner Arbeitskollegen, die sich sehr arrangiert haben und mutig an die Grenze gefahren sind, um Hilfsgüter abzugeben als auch gleichzeitig Flüchtlinge mit nach Deutschland zu nehmen, mit ein paar Taschen, Rücksäcken und viel Scheu, Angst aber auch Traurigkeit wegen des Krieges und ihrer Situation in Moers angekommen, so leben sie jetzt in einer kleinen Wohnung in Sicherheit und können wieder lachen! Die Familie lernt deutsch, die Kinder besuchen eine Schule, sowie auch die Musikschule, die Mutter besucht einen Integrationskurs, sie haben Fahrrad fahren gelernt, was wir immer wieder erneut durch kleine Touren verbessern, um die Angst vor dem Straßenverkehr zu nehmen und kommt immer besser zurecht.

Wir sind SO, manchmal etwas verrückt und durchgeknallt, manchmal gebe ich vielleicht auch zu viel… das gehört wahrscheinlich dazu, wenn man so ein Projekt startet.

Ich wünsche mir für uns alle, dass wir hoffentlich nie in so eine Situation kommen, wo wir auf diese fremde Hilfe, die wir gespendet haben, angewiesen wären, aber wenn dem so sein sollte, dann wünsche ich wirklich von Herzen allen, auch und besonders denen, die es nicht wertschätzen was wir gemacht haben, dass sie auf Familien wie uns treffen. Denn wir wissen, wie sie ohne unsere Hilfe dastehen würden, weil wir einen Blick hinter die Kulissen gewonnen haben!

 

Ich habe großen Respekt vor allen, die in ähnlichen Situationen sind! Macht alle weiter so, ihr seid spitze!

Eure Melanie Koch